30 Jahre Mercedes-Benz 500 E (W124): Porsches schnellster Stern
Ein Mercedes, der von Porsche kommt, das klingt nach Power. Richtig, in Zuffenhausen entstand vor 30 Jahren die weltweit stärkste und schnellste V8-Mittelklasse. Porsche suchte damals nach Auslastung und machte nur zu gerne für Mercedes aus der bürgerlichen Taxi-Klasse W124 ein wildes Tier namens 500 E.
Ein Mercedes, der von Porsche kommt, das klingt nach Power. Richtig, in Zuffenhausen entstand vor 30 Jahren die weltweit stärkste und schnellste V8-Mittelklasse. Porsche suchte damals nach Auslastung und machte nur zu gerne für Mercedes aus der bürgerlichen Taxi-Klasse W124 ein wildes Tier namens 500 E.
Gerade erst hatte der Gesetzgeber den geregelten Katalysator vorgeschrieben und so die Diskussionen über Umweltschäden durchs Auto und ein allgemeines Tempolimit leiser werden lassen, da schickte Mercedes die weltweit stärkste V8-Mittelklasse ins Rennen. Vor 30 Jahren debütierte der Typ 500 E als reißender Wolf in der Herde sonst eher harmloser und braver Benz-Limousinen der Baureihe W124, die mit Dieselmotor und bestenfalls Sechszylinder das Bild vor Taxiständen, Firmen oder gutbürgerlichen Einfamilienhäusern bestimmten.
Und nun also eine W124-Limousine, geschärft und gebaut bei Porsche, wo sie damals dankbar waren, freie Kapazitäten durch Auftragsfertigungen wie den 500 E füllen zu können. Porsche benötigte frische Einnahmen, um die Absatzkrise der alternden Transaxle-Sportwagen vergessen zu machen und die Marke mit dem Stern suchte eine rasche Antwort auf die Armada rasanter Schläfer aus München, Ingolstadt und sogar aus bella Italia. Schläfer? Die Amerikaner hatten mit Sleeper (schlafende Agenten) einen Terminus für muskelstrotzende Vmax-Typen in unscheinbarem Businessdress geprägt und Modelle wie BMW M5, Audi 200 Turbo oder Lancia Thema (Ferrari) 8.32 interpretierten den Begriff 1990 erfolgreich auf europäische Art. Allerdings war keiner dieser Tempobolzer der Wucht gewachsen, die der optisch dezente Mercedes 500 E über einen brutal starken 5,0-Liter-V8 auf die Straße brachte – und es sollte sogar noch heftiger kommen, mit dem AMG E 60.
Heute kann dieser Drehmoment-Wert den Käufern einer gut motorisierten Mercedes A-Klasse nur noch ein mildes Grinsen entlocken, aber 1990, dem Jahr der deutschen Wiedervereinigung, übertrugen nicht einmal die staatstragenden Zwölfzylinder-Limousinen von BMW und Jaguar so viel Kraft auf die angetriebenen Hinterräder und der Ferrari-V8 im Lancia Thema war nur halb so stark: Die 480 Newtonmeter Drehmoment des im Spätsommer 1990 vorgestellten Mercedes E 500 gaben einen deutlichen Hinweis auf das Potential dieses Viertürers. Optisch trug der 500 E den Nerz nach innen, war er doch seinen millionenfach gebauten Schwestermodellen nur durch die geringfügig voluminöseren Kotflügel mit 16-Zoll-Alurädern, die große Bugschürze mit integrierten Nebelleuchten und die um 2,3 Zentimeter tiefer gelegte Karosserie zu differenzieren. Aber nach dem Dreh des Zündschlüssels erwachte ein großes, unter Volllast vernehmlich fauchendes V8-Raubtier unter der flächigen Motorhaube – jener Vierventil-V8 mit dem Code M119, der gerade erst im neu vorgestellten Sportler 500 SL für Aufsehen gesorgt hatte.
Durch ein neues Kurbelgehäuse, das auch für den kleineren 4,2-Liter-V8 im 1991 lancierten 400 E genutzt werden konnte, wurde die Bauhöhe des Motors reduziert. So passte das 240 kW/326 PS bereithaltende Kraftwerk in den Maschinenraum, also dorthin, wo sonst auch der 55 kW/75 PS Vierzylinder des Typ 200 D wirkte. Vier-Automatik-Fahrstufen standen im 500 E serienmäßig zur Verfügung, was heute im Zeitalter von Neun- oder Zehngang-Automaten fast anrührend wirkt. Damals allerdings setzte manche Luxusmarke noch auf Dreigang-Automaten und eigentlich galten automatische Gangwechsel für Teilnehmer im Vmax-Championat ohnehin als uncool. Bis zum Auftritt des 500 E. „Wahnsinn, was da auf uns zurollt“, titelte ein Fachmedium über die „sündhaft schnelle Familienlimousine“, die trotz Getriebeautomatik auch von Rennfahrern wie dem früheren Mercedes-Werkspiloten Hans Herrmann als adäquates persönliches Fortbewegungsmittel geschätzt wurde. Die Schaltbox des 500 E wechselte die Gänge fast ruckfrei und passte damit zu dem souveränen Umgang des 4,75 Meter langen Liners mit Fahrbahnunebenheiten, die an der Hinterachse durch aufwendige Stoßdämpfer mit automatischer Niveauregulierung geglättet wurden. Fast hätte man diesen V8 als Chauffeur-Limousine für den Chef hinten rechts durchgehen lassen können.
Andererseits sollte sich der in automobiler Unschuldstracht gekleidete Bolide gegen Bayern-Bomber wie den BMW M5 behaupten, was klar machte: Der Mercedes musste die Ansprüche eines rasanten Fahrerautos erfüllen. Porsche, mit V8- und GT-Expertise ausgestattet, leistete sogar ein wenig Entwicklungshilfe für die Sportlimousine, deren Endmontage dann in Zuffenhausen erfolgte. Tatsächlich markierte der 500 E seine Position im Mercedes-Portfolio und am Markt über die vehementen Fahrleistungen: Die elektronisch abgeregelte Höchstgeschwindigkeit betrug 250 km/h, wie sonst nur beim 500 SL, und die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h wurde mit 5,9 bis 6,1 Sekunden angegeben. Dank kürzerer Achsübersetzung also noch besser als beim SL, besser als alles aus München und Ingolstadt und bereits fast auf dem Niveau reinrassiger Supersportler á la Ferrari Testarossa. Das allerbeste Erlebnis für die Fahrer des 500 E war jedoch die Freude, dieses Hochleistungstemperament in einer unauffälligen Karosserie genießen zu können, die sonst betuliche Diesel-Taxis kennzeichnete.
Klar, dass sich der 500 E auf der Kostenseite ebenso dramatisch von einem 200 D differenzierte. Die Preisliste des V8-Viertürers begann bei 134.520 Mark, dafür gab es rechnerisch 3,5 Diesel-Droschken und sogar der neue BMW M5 war um ein Drittel billiger. Gar nicht zu reden vom Kraftstoffkonsum der trotz überraschend hoher Nachfrage nur in kleiner Stückzahl – insgesamt lediglich 10.479 Einheiten – gebauten Hochleistungslimousine. Zwar bewirkte der beherzte Tritt aufs Gaspedal Verbrauchswerte zwischen 12 und 17 Litern, andererseits waren die Wettbewerber kaum sparsamer. Dennoch wollten die Mercedes-Ingenieure Effizienz-Diskussionen vermeiden und drosselten deshalb 1992 im Zuge einer Nachjustierung des Motors dessen Leistung minimal auf 235 kW/320 PS. Mit dem Ergebnis geringerer Schadstoffemissionen. Zeitgleich startete übrigens der kleinere 4,2-Liter-V8, bekannt aus der S-Klasse, im Typ 400 E, der die Reisequalitäten über dynamische Bestwerte stellte.
So viel Luxus wie nötig, so viel Power wie möglich, lautete die Formel für den 500 E, der deshalb wichtige Accessoires wie den Airbag anfangs noch in die Aufpreisliste integrierte. Im Jahr 1993 avancierte er jedoch als E 500 – so wie die gesamte, nun fast zehn Jahre alte W124-Reihe – mit Plakettengrill und anderen Modifikationen zur ersten, offiziell E-Klasse genannten Mercedes-Reihe. Dieses Ereignis feierte der mächtige V8 mit zwei feinen Upsizing-Maßnahmen: Die auf 500 Einheiten begrenzte Sonderserie E 500 Limited glänzte 1994 durch exklusive Farben außen wie innen und außerdem hielt der in Affalterbach geschliffene Hochkaräter E 60 AMG Einzug in die Mercedes-Schauräume. Mit 280 kW/381 PS aus dem auf 6,0 Liter vergrößerten V8 war dieser Viertürer ein frühes Ergebnis der seit 1990 bestehenden Kooperation zwischen Mercedes und AMG und er legte die Basis für einen bis heute bestehenden AMG-Powerzeig in der E-Klasse.
Fotos: Daimler