Leser fragen – Experten antworten: Schleichfahrten

Bei einer Schleichfahrt während einer Parkplatzsuche hat mir ein genervter Hintermann mit einer Anzeige gedroht. Kann denn langsames Fahren überhaupt bestraft werden?

Bei einer Schleichfahrt während einer Parkplatzsuche hat mir ein genervter Hintermann mit einer Anzeige gedroht. Kann denn langsames Fahren überhaupt bestraft werden?

Antwort von Thorsten Peter, stellvertretender Technischer Leiter der Sachverständigen-Organisation KÜS: In diesem Fall muss die Antwort „Ja und Nein“ lauten. § 3 Abs. 22 der Straßenverkehrsordnung besagt, dass Tempolimits ohne triftigen Grund nicht deutlich unterschritten und dabei andere Verkehrsteilnehmer behindert werden dürfen. Im Fall einer grundlosen Schleichfahrt kann ein Bußgeld fällig werden und dann müsste die Antwort auf ihre Frage also „Ja“ lauten. Doch gibt es auch erlaubte Gründe für langsames Fahren. Die von Ihnen erwähnte Parkplatzsuche oder auch technische Probleme, der Transport sperriger Ladungen oder gar eine umweltfreundliche Fahrweise gelten als legitime Gründe für eine langsame Fahrt. Auf Ihr konkretes Beispiel bezogen lautet deshalb die Antwort „Nein“.

Sogar notwendig werden kann langsames Fahren bei schlechten Witterungsverhältnissen. In § 3 in Absatz 1 heißt es dazu: „Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen.“ Wer zum Beispiel auf verschneiten Straßen unterwegs ist, sollte – ungeachtet der jeweils vorherrschenden Tempolimits – seine Geschwindigkeit den Verhältnissen anpassen. Dann darf man auch mal auf der Autobahn mit 30 km/h dahinschleichen.

Apropos Autobahn: Weit verbreitet ist die irrtümliche Meinung, dass es Mindestgeschwindigkeiten vor allem auf Autobahnen und Kraftstraßen gibt. Zwar dürfen Autobahnen nur von Fahrzeugen befahren werden, die bauartbedingt mindestens 60 km/h schnell fahren können. Doch dürfen alle Fahrzeuge auf der Autobahn dieses Mindesttempo praktisch auch unterschreiten, sofern ein triftiger Grund dafür vorliegt.

Sind besondere Umstände nicht ersichtlich, ist die Polizei übrigens dazu angehalten, im „Schneckentempo“ fahrende Verkehrsteilnehmer zu kontrollieren. Ist der Grund für die langsame Fahrt nicht triftig, droht ein Bußgeld. Mit 20 Euro fällt dieses allerdings moderat aus. Teurer kann es hingegen werden, wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer mit nicht ausreichender Geschwindigkeit überholt wird. Dann drohen 80 Euro und ein Punkt in Flensburg. Sollte es aufgrund eines zu langsamen Überholvorgangs zu einem Unfall kommen, sieht das Strafregister sogar 120 Euro und ein Punkt in der Flensburger Kartei vor.