Peugeot: 50 Jahre 104

Die Italiener liebten dieses vor 50 Jahren enthüllte Meisterwerk des Ferrari-Hausdesigners Pininfarina anfangs sogar mehr als die Franzosen. Vielleicht weil der ultrakurze und vom Maestro in vollendeter Eleganz eingekleidete Peugeot 104 maßgeschneidert wirkte für die vornehmen Altstadt-Quartiere von Rom, Mailand oder Florenz. Centri storici, die nur über schmale Gassen erreichbar waren und bis dahin vor allem von winzigen Fiat oder Autobianchi bevölkert wurden. Aber ein familientauglicher Viertürer von lediglich 3,58 Meter Länge?

Die Italiener liebten dieses vor 50 Jahren enthüllte Meisterwerk des Ferrari-Hausdesigners Pininfarina anfangs sogar mehr als die Franzosen. Vielleicht weil der ultrakurze und vom Maestro in vollendeter Eleganz eingekleidete Peugeot 104 maßgeschneidert wirkte für die vornehmen Altstadt-Quartiere von Rom, Mailand oder Florenz. Centri storici, die nur über schmale Gassen erreichbar waren und bis dahin vor allem von winzigen Fiat oder Autobianchi bevölkert wurden. Aber ein familientauglicher Viertürer von lediglich 3,58 Meter Länge?

Dieses Raumwunder realisierte Peugeot 1972 als einziger europäischer Autobauer und toppte es zwei Jahre später mit dem nochmals 22 Zentimeter kürzeren, nun aber dreitürigen Peugeot 104 „C“ wie „Compact“. Als dann auch noch der Viertürer mit weit aufschwingender fünfter Tür vorgestellt wurde, war Peugeots bis heute kleinste Großserienbaureihe komplett und auf dem Weg zum Millionenerfolg – und dies ganz ohne damals angesagte modische Provokationen à la Plastikstoßfänger (Renault 5), Primitivausstattung (VW Polo in Basislinie) oder altertümlichem Heckmotor in frischem Fastback-Design (Fiat 133 & 126). Stattdessen präsentierte sich der Peugeot 104 in stilprägender, unaufgeregter Couture nach Art eines Armani-Anzugs. Alta Moda, die 16 Jahre aktuell blieb und auch die Konzernzwillinge des Peugeot 104 einkleidete, also Citroen LN (1976) und Talbot Samba (1981). Damit avancierte der Peugeot 104 zum frühen Protagonisten einer Mehrmarken-Plattformstrategie, wie sie Produktplaner bis heute lieben.

Vor allem aber lancierte der Peugeot 104 die kleinste Modellnummer im Programm der Löwenmarke, die 100er Serie. Eine Baureihe, die über den 1991 gestarteten 106 (inklusive früher batterieelektrischer Versionen 2,8 Millionen Mal verkauft), den im Jahr 2004 aufgelegten, kuriosen Schiebetüren-Typ 1007 (nur 124.000 Exemplare), den 2005 gezündeten 107 (819.000 Einheiten) bis zum seit 2014 in rund 430.000 Einheiten verkauften Peugeot 108 reicht. Nicht zu vergessen die weiteren Parallelmodelle der Schwestermarke Citroen wie Saxo und C1. Eine bemerkenswerte Cityflitzer-Geschichte, deren Schlussakkord allerdings zum 50. Jubiläum des Peugeot 104 gespielt wurde. Künftig beginnt der Einstieg in die Kleinwagenwelt mit Löwenlogo beim Typ 208, denn die Kooperation mit Toyota über eine gemeinsame Produktion der Drillinge Peugeot 108, Citroen C1 und Toyota Aygo wurde von den Franzosen gekündigt.

Tatsächlich startete bereits die Entwicklung des Peugeot 104 mit einer geplatzten Kooperation. So sollte es damals zu einem Joint-Venture mit Renault kommen, das vorsah, Peugeot- und Renault-Fahrzeuge in einer gemeinsamen Fabrik vom Band rollen zu lassen. Realisiert wurde am Ende aber nur die Entwicklung von Motoren und technischen Komponenten für verschiedene Modellreihen. Dabei sollten sich Peugeot 104 und Renault 14 Vorderachse, Getriebe, Bremsanlage und Auspuff teilen, eine Verwandtschaft, die durch komplett unterschiedliche Karosseriedesigns kaschiert wurde. Als zeitloser Longseller etablierte sich allein das Modell 104 in den kantigen und klaren Konturen des Peugeot-Hausstilisten Pininfarina, der sich in seinem Studio im piemontesischen Grugliasco streng an das aus Sochaux geschickte Lastenheft gehalten hatte: Danach hatte das Projekt PF 944 einen reisetauglichen Frontantriebs-Mini zum Ziel, einen Viertürer mit damals extralangem Radstand von 2,42 Metern und am Ende sensationellen 700 Liter Stauraum für Freizeitgepäck und Sportgeräte.
Anfangs fehlte zwar – ähnlich wie beim Fiat 127 – noch die Heckklappe, aber sobald diese verfügbar war, nahmen die Verkaufszahlen des in trendig-leuchtenden Farben lackierten Peugeot Tempo auf. Beschleunigt wurde die Karriere der kleinsten Nummer mit Löwen-Logo durch formidable Fahrleistungen. Bereits das 1,0-Liter-Basisaggregat mit 33 kW/45 PS machte den 780 Kilogramm leichten familientauglichen Viertürer ähnlich schnell wie die bis zu zwei Klassen größeren Ford Taunus (1300), Renault 12 oder VW 1600. Noch agiler waren später die coupéartigen Dreitürer 104 C und ZS oder gar der GTI-Vorläufer 104 ZS Rallye mit Spoilern und Kotflügelverbreiterungen und 59 kW/80 PS Leistung, in kleiner Zahl sogar mit 68 kW/93 PS. Dieses muskulöse Löwenbaby zeigte in Sprintderbys sogar manchem BMW 3er, Ford Capri oder Opel Manta seine scharfen Krallen. Die Herzen der Frauen gewann der kleine Peugeot dagegen durch exklusive Metalliclackierungen und leuchtende Farben wie korallrot, zitrusgelb oder südfruchtorange, passend zum Zeitgeist der 1970er, der es poppig-bunt liebte.
Nicht alle Karosseriekonzepte der Peugeot-104-Familie fanden den Weg in die Serie: Eine Stufenhecklimousine (1975), Kombi (1975), Pick-Up (1976), der aufregende Roadster Peugette (1976) und das Sicherheitsfahrzeug 104 VLS (Vehicule Léger de Sécurité) blieben nur Studien. Der Roadster Peugette machte immerhin Karriere als Attraktion aller großer Automobilmessen.

Dagegen lieferte der 3,36 Meter kurze Peugeot 104 C die Vorlage für zwei Rettungswagen: Das frugal-freche Citymobil Citroen LN von 1976 und den fröhlichen Talbot Samba von 1981, der als auch als Cabriolet – kreiert und in Serie gebaut von Altmeister Pininfarina – Geschichte schrieb. Kürzer und preiswerter als der Sonnensegler von Talbot war in den 1980ern kein offener Viersitzer.

Doch der Reihe nach: 1976 übernahm Peugeot den angeschlagenen Rivalen Citroen. Da Citroen keinen finanziellen Spielraum für neue Modelle hatte, implantierte die Marke mit dem Doppelwinkel den Zweizylinder-Motor der legendären „Ente“ 2 CV in den dreitürigen Peugeot 104, minimalisierte dessen Ausstattung und – voilà –   fertig war der Citroen LN. Dieser „Spatz aus Paris“, wie er vor allem in Deutschland beworben wurde, konnte später auch als LNA mit kräftigem Vierzylinder (ab 1978) oder in feiner ausgestatteten Sondermodellen wie LNA Cannelle und LNA Prisu (ab 1984) erworben werden, sich jedoch nie richtig am Markt durchsetzen. Zu sehr fehlten ihm die Citroen-typische Eigenständigkeit und der Charme der anderen Minimalisten dieser Kultmarke. Immerhin verkörpert der LN den Urvater aller folgenden dreitürigen Cityflitzer von Citroen bis hin zum Citroen C1.

Den Untergang der finanziell maladen Marke Talbot verzögern, aber nicht aufhalten: So sah die Erfolgsbilanz des Samba aus. Peugeot hatte 1978 die europäischen Chrysler-Tochtergesellschaften übernommen und Simca sowie die britischen Rootes-Marken in Talbot umbenannt. Drei Jahre startete der auch im Motorsport aktive kleine Talbot Samba als Zwilling des dreitürigen Peugeot 104. Aber spätestens mit der Markteinführung des modernen Millionsellers Peugeot 205 (1983) wollten die früheren Simca-Kunden nicht länger Samba tanzen. Auch der Peugeot 104 verschwand nun von wichtigen Märkten wie Deutschland, das endgültige Adieu erfolgte jedoch erst 1988. Heute sind die kleinen Charmeure rar wie klassische Bugatti. Gleich ob Peugeot 104, Citroen LN oder Talbot Samba, fast alle entschwanden bei Autoverwertern ins Nirwana der Geschichte.