Mercedes: 50 Jahre Baureihe W 201 (190er)

Dieses Jahr wirbelte gewohnte Weltbilder durcheinander, denn Kleine schrieben große Geschichte. Helmut Kohl wurde 1982 neuer Bundeskanzler, weil die FDP das wollte. Der kleine „E.T“, Außerirdischer aus Steven Spielbergs Traumfabrik, machte ein Sci-Fi-Märchen zum bis dahin größten Kinoerfolg und ein kompakter Mercedes vermaß das Firmament der Sterne neu. Mercedes-Benz 190 (Baureihe W 201) nannte sich dieser Provokateur, der schon als Erlkönig für Unruhe unter der konservativen Mercedes-Kundschaft gesorgt hatte. „Ushido“ stand zur Tarnung als Typenschriftzug an den Vorserienfahrzeugen, deren Schrumpfformat an einen Extraterrestrischen erinnerte. Gut 30 Zentimeter kürzer und zehn Zentimeter schmaler als der bisherige Basis-Benz vom Typ 200 (W 123), irritierte die Limousine sogar Fachmedien, die prompt vom „Baby-Benz“ sprachen. Keine Prestigekarosse, vermeintlich kein Taxiformat, stattdessen aerodynamisch-schlichtes Design und unerhört sportive Ambitionen: War der 190 wirklich noch ein echter Mercedes?

Dieses Jahr wirbelte gewohnte Weltbilder durcheinander, denn Kleine schrieben große Geschichte. Helmut Kohl wurde 1982 neuer Bundeskanzler, weil die FDP das wollte. Der kleine „E.T“, Außerirdischer aus Steven Spielbergs Traumfabrik, machte ein Sci-Fi-Märchen zum bis dahin größten Kinoerfolg und ein kompakter Mercedes vermaß das Firmament der Sterne neu. Mercedes-Benz 190 (Baureihe W 201) nannte sich dieser Provokateur, der schon als Erlkönig für Unruhe unter der konservativen Mercedes-Kundschaft gesorgt hatte. „Ushido“ stand zur Tarnung als Typenschriftzug an den Vorserienfahrzeugen, deren Schrumpfformat an einen Extraterrestrischen erinnerte. Gut 30 Zentimeter kürzer und zehn Zentimeter schmaler als der bisherige Basis-Benz vom Typ 200 (W 123), irritierte die Limousine sogar Fachmedien, die prompt vom „Baby-Benz“ sprachen. Keine Prestigekarosse, vermeintlich kein Taxiformat, stattdessen aerodynamisch-schlichtes Design und unerhört sportive Ambitionen: War der 190 wirklich noch ein echter Mercedes?

Heute wissen wir, mit dem agilen Mittelklasse-Modell 190 attackierte Mercedes nicht nur erfolgreich Dynamiker wie BMW 3er und Audi A4. Der Baby-Benz bewahrte sich auch schwäbische Tugenden wie Premium-Preise, Solidität und Sicherheit. Vorbild war die gleichzeitig entwickelte S-Klasse W 126. Sogar deren extrem hohe Sicherheitsstandards erfüllte der Typ 190. Als 1993 die C-Klasse den Stab übernahm, war der anfangs belächelte Baby-Benz bereits zum Millionseller geboomt.

Ausgerechnet der Kleinste forderte das bis dahin größte Investment in der Mercedes-Geschichte: Gut zwei Milliarden Mark, ein neues Werk in Bremen und mehr als sechs Jahre Entwicklungszeit kostete die Konstruktion des Mercedes 190, dessen Modellcode an die gleichnamige Baureihe (W 120) aus den 1950ern erinnerte. Allerdings ging aus jenem Ponton-Klassiker der Wirtschaftswunderzeit später die größere E-Klasse hervor. Dagegen sprach die Baureihe W 201 als Vorbote der heutigen C-Klasse in den 1980er ein neues Publikum an. Mehr noch, dieser Benz legte alle schwäbische Betulichkeit ab und setzte Trends, so wie bis dahin nur Berufsdynamiker á la BMW 3er oder Alfa Giulia/Giulietta. Passend zu Aerobic, Breakdance und schnellen Inline-Skates, den Sporttrends jener Dekade, war der Mercedes 190 für Adrenalinschübe gut, wie sie auch die Zielgruppe der finanziell gut ausgestatteten Yuppies und Dinks liebte.

Bereits die 66 kW/90 PS leistende Vierzylinder-Vergaserversion des 190 war schneller unterwegs als der deutlich kräftigere und größere Mercedes 200, aber auch nur knapp 300 Euro billiger. Der 90 kW/122 PS abgebende 190 E nahm es fast mit dem 136 kW/185 PS starken 280 E auf und in Richtung München bliesen der 190 E 2.3-16 und alle folgenden furiosen Vierventil-Ableger als erste echte viertürige Mercedes-Racer. Noch vor BMW M3 oder Audi RS demonstrierten die bis dahin steifen Sternträger, welche Weltrekordfahrten, DTM-Qualitäten und Bestzeiten sie als Flügel- und Spoiler-geschmückte 16-Ventiler in Beton und Asphalt brennen. Sei es als 2.3-16 im Jahr 1983 im italienischen Nardò mit einem Durchschnitt von fast 250 km/h über 25.000 Kilometer Distanz oder 1990 in finaler Ausbaustufe als 2.5-16 Evolution mit 173 kW/235 PS und Fahrleistungen auf dem Niveau von V12-BMW.

Aber der 190 definierte auch den Diesel neu – und qualifizierte sich so trotz knapp geschnittener Karosserie letztendlich doch als Taxi. Erstes Diesel-Serienfahrzeug mit Triebwerkskapselung war nämlich der 190 D mit sogenanntem Flüsterdiesel, den BMW später mit einem Sechszylinder-Selbstzünder im 3er konterte. Klar, auch der Selbstzünder im 190 mutierte zum Renner. In finaler Ausbaustufe war der 190 D 2.5 Turbo schließlich 195 km/h schnell – kein Vergleich zum 200 D (W 123), der es mühevoll auf 135 km/h brachte und dazu noch 25 Prozent mehr verbrauchte als ein 190er. Umweltschutz konnte die Baureihe W 201 nämlich auch, und dies früher als viele andere. Gegen den viel debattierten sauren Regen der 1980er und das Waldsterben sollten Diesel-Oxidations-Katalysator und Drei-Wege-Kat beim Benziner helfen. Sogar eine batterieelektrische Version des Mercedes 190 wurde erprobt.

Mit der Baureihe W 201 erfand sich Mercedes neu, dies als Ergebnis der Ölkrisen in den 1970ern. Effizienz durch Gewichtsreduzierung auf 1.080 Kilogramm (rund 600 Kilo weniger als eine aktuelle C-Klasse) sowie Aerodynamik standen in Stuttgart auf der Agenda und so wurde der kleine 190 Botschafter einer neuen Formensprache, die künftig alle Mercedes prägen sollte. „Diamantschliff-Design“ nannte Daimler-Chefdesigner Bruno Sacco die trapezartigen Linien mit erstmals bündig in die Frontpartie integrierter Kühlermaske und puristischen Linien bis hin zum damals unerhört hohen Heck. Die Trapezflächen sollten dabei an den geschliffenen Edelstein erinnern und tatsächlich zeigte sich zwei Jahre später auch die erneuerte E-Klasse (W 124) in diamantenen Konturen. Erstaunlich und noch nie dagewesen bei einer Mercedes-Limousine: Kleine Auffrischungen durch zeitgeistige Accessoires wie die farblich leicht abgesetzten „Sacco-Bretter“ an den Flanken genügten, um den 190 über das Produktionsende 1993 hinaus aktuell zu halten.

Tatsächlich tat sich der C-Klasse-Vorläufer schwer, in den Klassiker-Status zu wechseln. Ein Vierteljahrhundert nach Marktstart waren hierzulande immer noch 23.290 Mercedes 190 aus den ersten beiden Verkaufsjahren zugelassen, während es die Wettbewerber nur auf 1 bis 45 Prozent dieses Fahrzeugbestands brachten. Die Baureihe 190 galt im Jahr 2007 als fast unzerstörbarer Langstreckenläufer und als so zeitlos designt, dass sie kurzzeitig zu Diskussionen über eine Erhöhung des Mindestalters für H-Kennzeichen-Kandidaten anregte.

Daran war 1982/83 noch nicht zu denken: Die Mercedes-Verkäufer mussten anfangs ungewohnte Überzeugungsarbeit leisten, bis sich potentielle Kunden zu einer Probefahrt bewegen ließen. Dort stellten sie fest: Bis auf den konventionellen Handbremshebel statt der Fußfeststellbremse sah alles nach Daimler aus, inklusive riesigem Lenkrad, liebevoller Verarbeitung und serienmäßiger Buchhalterausstattung sowie endloser Aufpreislisten. Natürlich zwickte es Großgewachsene im 190-Fond mehr als bei W-123-Modellen, dafür begeisterte der kleinste Sternträger durch die vielgerühmte „Raumlenker-Hinterachse“ und eine neue Dämpferbein-Vorderachse.

Als Fachmedien Mitte der 1980er den Mazda 626 als ersten Japaner schlagzeilenträchtig einen Vergleichstest gegen die neue Premium-Instanz Mercedes 190 gewinnen ließen, interessierte das die Stern-Klientel kaum. Denn das Baby hatte es bereits geschafft, zählte weltweit zu den volumenstärksten Baureihen von Mercedes-Benz und machte der BMW 3er Reihe und Audi 80/90 bzw. A4 das Leben schwerer. Ganz so wie es heute, fünf Generationen und elf Millionen Einheiten später, der C-Klasse gelingt. Diese gibt es übrigens in Asien auch als staatstragende Langversion mit einem Loungekomfort, der in Baby-Benz-Zeiten noch der S-Klasse vorbehalten war.

Fotos: Mercedes Benz Media