Fiat: 100 Jahre in Deutschland

„Buon giorno Germania“, hieß es für Italiens größten Autobauer Fiat offiziell am 5. Mai 1922 – vor 100 Jahren. Damals ging in München die „Deutsche Fiat Automobil Verkaufs AG“ an den Start, ein Unternehmen, dessen Modelle hierzulande längst einen legendären Ruf genossen. Hatte doch schon Kaiser Wilhelm II. herrschaftliche Fiat-Automobile in seinen Fuhrpark aufgenommen und bei Reisen durch sein Reich genutzt. Begeistert hatten den Monarchen die Grand-Prix-Triumphe der roten Fiat-Racer über die Rennrivalen seiner Hoflieferanten Mercedes und Benz.

„Buon giorno Germania“, hieß es für Italiens größten Autobauer Fiat offiziell am 5. Mai 1922 – vor 100 Jahren. Damals ging in München die „Deutsche Fiat Automobil Verkaufs AG“ an den Start, ein Unternehmen, dessen Modelle hierzulande längst einen legendären Ruf genossen. Hatte doch schon Kaiser Wilhelm II. herrschaftliche Fiat-Automobile in seinen Fuhrpark aufgenommen und bei Reisen durch sein Reich genutzt. Begeistert hatten den Monarchen die Grand-Prix-Triumphe der roten Fiat-Racer über die Rennrivalen seiner Hoflieferanten Mercedes und Benz.

Fiat und die Deutschen: Das ist aber vor allem eine Geschichte von Sehnsucht nach der Sonne des Südens und den Genüssen des „Dolce Vita“, des süßen Lebens, eingefangen in ikonisch gezeichneten und quirligen Automobilen. Dafür stehen frühe Fließbandpioniere wie der Fiat Ballila (ab 1932), das Mäuschen Fiat 500 Topolino (ab 1936), Wirtschaftswunder-Winzlinge wie der liebevoll „Cinquino“ genannte Nuova 500 (ab 1957), schöne Coupés und Spider der Designstudios Pininfarina und Bertone, aber auch die „tolle Kiste“ Fiat Panda und der klassenlose Fiat Uno aus den 1980ern. Jener Dekade, in der italienische Momente endgültig unverzichtbar wurden für die deutsche Kultur und Kulinarik. Fast 50 Jahre lang baute Fiat wichtige Modelle auch in Heilbronn, was die Marke noch fester in Germania verankerte. Nur die luxuriösen Fiat-Flaggschiffe konnten sich nie durchsetzen.

Davon wusste schon 1928 Thomas Mann zu berichten, denn der Nobelpreisträger für Literatur trennte sich von einem Sechszylinder-Fiat zugunsten einer Horch-V8-Limousine, die ihm als Erfolgsausweis angemessener schien. Auch später sollte es Oberklasse-Limousinen und leistungsstarken Sportwagen mit dem Logo der Fabbrica Italiana Automobili Torino, kurz Fiat, nie gelingen, gegen die Platzhirsche aus Germania zu bestehen. Ganz gleich, ob der Fiat 2300 in Trapezlinien von Pininfarina (ab 1963), der Fiat 130 im Mercedes-Look (ab 1969) oder der Dino mit Ferrari-Verbindung, großen Fiat fehlte es grundsätzlich an Prestige.

Seit den 1970ern galt das sogar für Mittelklassemodelle wie den Fiat 132, der als „Amalfi“ in der deutschen TV-Serie „PS“ einem Millionenpublikum als Muster mangelhaft verarbeiteter Fahrzeuge präsentiert wurde. Böse Worte machten die Runde wie „Fiat bedeutet Fehler in allen Teilen“. In Wahrheit aber waren weder der Fiat 132 noch die Nachfolger Argenta und Croma signifikant unzuverlässiger als die Wettbewerber, wie Pannen- und TÜV-Statistiken verrieten. Allein den Kampf gegen den vorzeitigen Korrosionstod von Fahrzeugen mit schlechtem Stahl gewannen die Deutschen schneller.

Andererseits gehört gerade manches Nicht-Perfekte, wie die hakeligen Schaltungen oder kleine Gaspedale für schmale italienische Designerschuhe, ebenso zum unwiderstehlichen Reiz der Turiner Massenmodelle wie die unschlagbaren Miniaturabmessungen der Cityflitzer (der Fiat 500 Nuova war kürzer als der englische Mini von 1959, der Fiat 127 in den 1970ern kompakter als ein Polo) und die Faszination von Faltdachhelden (vom legendären 124 Spider über den Klappscheinwerferkeil X1/9, die Barchetta bis zum aktuellen 500 Cabriolet). Mit Kultmodellen dieser Art, ergänzt um bella macchina für mamma, papà e bambini (Fiats Familiare-Kombis und Multipla-Vans lassen grüßen), erreichte der Turiner Automobilgigant eine Marktmacht in Germania, von der andere Importeure nur träumen konnten: Um 1970 trug jedes zehnte Fahrzeug auf deutschen Straßen ein Fiat-Signet, selbst Ford war kaum stärker vertreten.

Heute dagegen vermissen wir auf manchem Supermarkt-Parkplatz, vor Schulen und Eiscafés die einst omnipräsenten espressoschwarzen und sonnengelben Italiener. Was weniger an deren fehlenden Verkaufserfolg liegt, als an vielen neu hinzugekommenen urbanen Minimalisten aus Asien und Osteuropa. Und daran, dass italienische Avantgardisten wie die Frontantriebs-Produktionsmillionäre Fiat 127 und 128 deutsche Hersteller animierten, ab Mitte der 1970er endlich selbst charmante Kleine á la VW Polo und Ford Fiesta aufzulegen. Immerhin gibt es bis jetzt eine Fahrzeugkategorie, in der Fiat alles bestimmt: Nicht nur in den Campingparadiesen von Adria und Kalabrien, auch im kühlen Deutschland ist der Ducato allgegenwärtig. Ein Modell, das die Reisemobilklasse dominiert, so wie der VW Golf die Kompaktklasse. Dagegen zeigt der Fiat 500, wie ikonisches Retrodesign erfolgreich zukunftsfit gemacht wird, seit 2020 auch in vollelektrischer Ausführung. Nur dem Mini von BMW ist ähnliches gelungen.

Tatsächlich waren es von Anfang an die Lebensfreude ausstrahlenden kleinen Fiat, die ganz groß herauskamen. So schon 1922 der Typ 501 als eines der ersten europäischen Großserien-Autos. Ab 1929, mitten in der Weltwirtschaftskrise, richtete Fiat sogar eine deutsche Fertigungsanlage für preiswerte Typen ein. Dazu kauften sich die Italiener in die wirtschaftlich maladen Neckarsulmer Fahrzeugwerke AG (NSU) ein und übernahmen eine Produktionsstraße in Heilbronn. Strategisch war dies ein weitsichtiger Schachzug, denn nur so konnte in den 1930er Jahren eine Ächtung als ausländischer Hersteller vermieden werden.

Alle in Heilbronn gefertigten Modelle trugen das Markensignet NSU/Fiat der eigens gegründeten NSU Automobil AG. Erst im Lauf des Jahres 1959 musste die Markenbezeichnung in Neckar geändert werden, denn nun nahm NSU die Produktion eigener Prinz-Pkw auf. Zeitweise lancierte Fiat sogar spezielle Modelle für den deutschen Markt wie den NSU-Fiat 500 Weinsberg (1959) oder den Neckar 850 SD/Adria (1965). Erst mit dem Abklingen des deutschen Miracolo Economico endete auch der wirtschaftliche Höhenflug der Montagefertigung.

Allerdings konnten die krisengeschüttelten 1970er Fiat kaum etwas anhaben, das galt sogar für die wilden 1980er mit ihren Diskussionen um Katalysator und Yuppie-Hype. Kleine Giganten wie die Fiat 126 und 127, der Plastik-Botschafter Fiat Ritmo, die „tolle Kiste“ namens Panda, der kleine Uno und Typen wie der Tipo hielten den Turiner Konzern auf Kurs. Unterstützung lieferte sogar die konservative Mittelklasse Fiat 131 dank der Rallyesiege unter Walter Röhrl, dagegen kündeten vergessene Helden wie Regata und Tempra schwierigeres Fahrwasser an. Eigenwillige Vans wie der Multipla konnten ebenfalls nicht verfangen, dafür drückte der scharfkantige Punto 1999 die Reset-Taste für eine Reihe guter Ideen.

Die Leichtigkeit des italienischen Seins spiegelt sich im 21. Jahrhundert in neuen kompakten Autos mit Nutzwert und niedrigen Kosten. Vom nunmehr in Frankfurt befindlichen Firmensitz beobachteten Fiat-Manager die Erfolge der jüngsten Generationen des Panda und des 500, aber auch junger Wilde wie Abarth 500 und 124 Spider. Den 100. Jahrestag des Deutschlandstarts feiert Fiat vom gerade bezogenen Hauptquartier in Rüsselsheim, dies als Marke des 2021 formierten Stellantis-Konzerns. An der Spitze der Importcharts ist Fiat in Deutschland zwar nicht mehr, aber die Reise zur vollelektrischen Marke im Jahr 2030 läuft unter Vollgas.