Aston Martin und Lamorghini: Supersportler als Zugfahrzeuge

Große Marken haben für gewöhnlich auch eine große Geschichte. So ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Halter eines oder mehrerer neuer Aston Martin oder Lamborghini auch einen oder eben mehrere historische Modelle besitzt. Und wenn der Oldie mal liegenbleibt und aufgesammelt werden muss oder einfach nicht auf eigener Achse über eine große Distanz transportiert werden soll, musste früher ein fremdes Fabrikat als Zugfahrzeug herhalten.

Große Marken haben für gewöhnlich auch eine große Geschichte. So ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Halter eines oder mehrerer neuer Aston Martin oder Lamborghini auch einen oder eben mehrere historische Modelle besitzt. Und wenn der Oldie mal liegenbleibt und aufgesammelt werden muss oder einfach nicht auf eigener Achse über eine große Distanz transportiert werden soll, musste früher ein fremdes Fabrikat als Zugfahrzeug herhalten.

Mit dem SUV-Trend gehören diese Zeiten der Vergangenheit an, denn sowohl Aston Martin als auch Lamborghini dürfen mit ihren sportiven SUV DBX und Urus kräftig ziehen. Den feinen Briten lässt man mit maximal 2,7 Tonnen Anhängelast nicht ganz so schwer schleppen wie den Urus – er darf mit 3,5 Tonnen auch die Schwergewichte wegzerren. Immerhin hat die italienische Marke mit ihrem Ursprung aus dem Traktoren-Segment ja schon ein historisches Geländewagen-Vorbild: den LM 002. Doch das ist eine andere Geschichte.

Hier ist der Urus einer der Zugfahrzeug-Protagonisten und bekommt einen raren Islero an den Haken. Der wiederum ist ein ziemliches Leichtgewicht von unter 1,4 Tonnen, damit hat der 478 kW/650 PS starke Vierliter-Achtzylinder des Urus jetzt keine sonderliche Mühe. Das Gespann erfüllt seinen Zweck – und zwar ziemlich stilecht. Wer so zum Lamborghini-Treffen rollt, erntet definitiv Blicke. Und als Zugfahrzeug ist der stoisch geradeaus laufende 2,2-Tonner natürlich geradezu prädestiniert. Aber einen intakten und fahrfähigen Islero zu trailern, das ist Zeitverschwendung. Also schnell runter vom Anhänger mit dem Zwölfzylinder der späten Sechziger. Schon allein das summende Anlassergeräusch macht Gänsehaut, der Sound des 3,9-Liters sowieso, wenn er sich nach dem Volllaufen seiner sechs Weber-Doppelvergaser bequemt, erst grummelig und dann halbwegs rund zu laufen.

Der Besitzer macht eine Ausnahme und nimmt den Beifahrersitz ein, während wir uns hinter das Holzlenkrad klemmen dürfen. Es gibt jetzt viele Gründe, warum sich nun mehr Adrenalin ins Blut schleicht als vorher. Als da wären erstens die Freude, mit dem Islero überhaupt fahren zu dürfen und zweitens die Furcht, etwas zu beschädigen. Zwar hat es der frühe Lamborghini zu nicht so viel Popularität gebracht wie ein vergleichbarer Ferrari 365 GT 2+2, aber dafür ist er deutlich exklusiver mit seinen kaum mehr als 200 gebauten Exemplaren – die heutigen Preise um knapp unter 400.000 Euro tragen dem Rechnung.

Kaum geentert, bewegt sich die Hand reflexartig zum Schalthebel – der erste Gang der ZF-Box rastet  etwas widerspenstig ein, aber er rastet ein, immerhin. Mit wärmer werdendem Getriebeöl wird auch das Schalten geschmeidiger. Der kleinvolumige Vergaser-Zwölfzylinder braucht Drehzahl, um seine Power von immerhin nominal 350 PS zu entfalten. Drehzahl, die man sich mit einem fremden Auto nur bedingt traut abzufordern. Ordentlich vorwärts geht es durchaus, aber ob der Biss dem werksangegebenen Output entspricht – wer weiß das schon. Laune macht der Islero aber, und davon ziemlich viel. Immerhin sorgt die damals nicht unbedingt selbstverständliche Einzelradaufhängung der Marazzi-Kreation (so heißt der Designer des Islero) für sicheres Fahren. Das gilt aber bloß für den Bereich weit jenseits des Limits. Querdynamisch an die Schmerzgrenze soll dann doch lieber der Besitzer gehen, während Islero-Anfänger noch mit dem leichten Lenkrad-Spiel kämpfen.

Ganz anders der Urus. Der multifunktionale, emotional ansprechende, innenarchitektonisch schneidig ausgestaltete (überall tummeln sich nebst Carbon geometrisch mehreckige Designelemente) und brachiale V8-Luxuslaster kann zwar nicht gerade auf den Grand-Prix-Kursen dieser Welt bestehen, muss er jedoch auch nicht. Zu schwer, zu sperrig, zu unnötig für seine Klientel – aber er kann proper ziehen und ordentlich einladen. Eine italienische eierlegende Wollmilchsau mit fast 1.600 Litern Laderaumvolumen für exzellente Urlaubstauglichkeit. Und wenn gerade mal nicht die ganze Familie in dem 5,11-Meter-Liner sitzt und das Ziel zufällig über eine kurvenreiche Landstraße führt, greift das Raubtier auf Wunsch so was von dermaßen an. Achtung Nackenmuskeln, jetzt hämmert der Biturbo-Vierliter die Karosse nebst Besatzung mit einer Wucht nach vorn, dass nur Profis ihren Gleichgewichtssinn behalten. Und selbst durch Kurven fegt der luftgefederte Lamborghini (er kann per Fahrprogramm auch geschmeidig) präzise und pfeilschnell, schneller jedenfalls als er meistens müsste und wohl in der Praxis auch dürfte. Mit 3,6 Sekunden auf 100 km/h beschleunigt er kaum weniger vehement als ein Huracan und endet erst bei 305 km/h.

Und da wären wir auch schon beim Unterschied zum zweiten Zugfahrzeug dieser Runde. Der Aston Martin DB X ist ein völlig anderer Typus als der Urus. Feiner, weniger raubeinig, dezenter in seinem V8-Stakkato, einfach mehr Gran Turismo in SUV-Form. Mit 100 Pferdchen weniger Leistung, also exakt 405 kW/550 PS, sind 4,5 Sekunden auf Landstraßentempo immer noch sehr in Ordnung – und der Topspeed von 291 km/h ebenso. Der mit noblem Leder ausgeschlagene Innenraum lockt nicht nur optisch und haptisch, sondern auch olfaktorisch. Das DBX-Fahrwerk verströmt eine komfortable Note. Und der ebenfalls mit zwei Turboladern beatmete Vierliter-Achtzylinder pumpt mit 700 Newtonmetern immer noch so viel Drehmoment in Richtung Turbinenrad und Neungang-Wandlerautomatik, dass diese eigentlich nie herunterschalten muss. Wenn sie es aber tut (und sie tut es oft), geschieht das butterweich – die wattig gebetteten Passagiere bekommen davon selten etwas mit. Nur vom brachialen, aber trotzdem leisen Schub nach vorn im Falle eines Kickdown-Befehls.

Und warum sollte ein solcher Zugkraft-Riese nicht auch mal etwas an den Haken nehmen? Beispielsweise einen gerade mal 1,3 Tonnen schweren Aston Martin DB4 aus den frühen Sechzigern. Fast bemerkt man im bärigen DBX gar nicht, dass das stilvolle Coupé mit dem markant klingenden Aluminium-Reihensechszylinder von Ingenieur Tadek Marek am Haken hängt. Aber man sieht es natürlich im Rückspiegel. Der Weg führt geradewegs zur Werkstatt, wo der 3,7-Liter große Reihensechszylinder komplett auseinandergenommen und anschließend zusammengebaut wird, damit er am Ende mit überholtem Zylinderkopf wirklich perfekt läuft.

Und danach kann der Brite die Werkstatt auf eigener Achse verlassen, wäre ja auch eine Schande. Den Jungs von Thiesen Automobile ist es gelungen, dem frisch aus dem Service gekommenen Coupé wieder ein angemessenes Dach über dem Kopf zu besorgen und hoffentlich viele Ausfahrten mit dem neuen Besitzer. Der findet einen per Zweifachvergaser gefütterten Doppelnocker mit leicht brabbeliger Note und großer Drehfreude. Der DB4 ist sogar noch ein Quäntchen mehr Gran Turismo als der Islero. Starrachse hinten und „nur“ 240 PS lassen ihn zumindest auf dem Papier beschaulicher performen. Trotzdem schiebt das Triebwerk die Leichtbaukarosse mit ordentlichem Aluminiumanteil aus dem Hause Touring dank 325 Newtonmeter ziemlich machtvoll an. Und klar fühlt sich der Aston schneller an, als er in Wirklichkeit fährt, aber die Mundwinkel sind: oben. Um den DB4 Salon virtuos zu bewegen, ist ein bisschen Training erforderlich. Typischerweise zicken die Schaltgetriebe britischer Sportwagen gerne mal ein bisschen, aber die insgesamt fünf Übersetzungen (inklusive Overdrive) rasten hier dennoch recht gut ein.

Mancher Autoenthusiast fragt sich, ob solche Edel-SUV jemals so viel Klasse entwickeln werden wie die historischen Coupés. Beantworten können wird man das wohl erst in ein paar Jahrzehnten. Zumindest muten seltene, istorische Shootingbrake- und Kombivarianten heute spannend an, aber das ist wegen ihrer geringen Produktionszahl auch kein Wunder.

Aston Martin DBX wie auch Lamborghini Urus sind im Vergleich zu Islero (um 200 Exemplare) und DB4 (etwas mehr als 1.000 Exemplare) wahre Massenprodukte. Lamborghini verkauft allein pro Jahr rund 5.000 Stück vom Urus, und vom deutlich neueren DBX möchte Aston Martin in ähnlichen Dimensionen verkaufen. Mit über 224.000 Euro (Urus) und etwa 184.000 Euro (DBX) sind die luxuriösen Allrounder allerdings fast ein Schnäppchen gegen Islero und DB4. Beide Coupés notieren in den einschlägigen Börsen mit knapp unter 400.000 Euro.

Fotos: Patrick Broich/SP-X