“Meine Geschichte” – Timo Hofmann und die Karriere im zweiten Anlauf
Ob Titelkampf oder Kellerduell in der LIQUI MOLY HBL, ob Spitzenspiel oder Abstiegsthriller in der Handball Bundesliga Frauen, ob ein Nachbarschaftsderby in der 3. Liga oder die Finalrunde der Deutschen Jugend-Meisterschaft: Seit 2020 können die Schiedsrichter*innen des Deutschen Handballbundes (DHB) bei ihren Einsätzen auf die Unterstützung der KÜS bauen. Jede*r von ihnen investiert viel Zeit und Herzblut in die große Leidenschaft. Doch warum sind sie Schiedsrichter*in geworden? Welchen Weg sind sie gegangen? Und was hat ihre Karriere geprägt? Einer der knapp 300 Unparteiischen des Deutschen Handballbundes ist Timo Hofmann, der gemeinsam mit Thomas Hörath dem Bundesligakader angehört. Das hier ist seine Geschichte.
Ob Titelkampf oder Kellerduell in der LIQUI MOLY HBL, ob Spitzenspiel oder Abstiegsthriller in der Handball Bundesliga Frauen, ob ein Nachbarschaftsderby in der 3. Liga oder die Finalrunde der Deutschen Jugend-Meisterschaft: Seit 2020 können die Schiedsrichter*innen des Deutschen Handballbundes (DHB) bei ihren Einsätzen auf die Unterstützung der KÜS bauen. Jede*r von ihnen investiert viel Zeit und Herzblut in die große Leidenschaft. Doch warum sind sie Schiedsrichter*in geworden? Welchen Weg sind sie gegangen? Und was hat ihre Karriere geprägt? Einer der knapp 300 Unparteiischen des Deutschen Handballbundes ist Timo Hofmann, der gemeinsam mit Thomas Hörath dem Bundesligakader angehört. Das hier ist seine Geschichte.
Die zweite Schiedsrichter-Karriere von Timo Hofmann begann 2007 mit einem Telefonanruf. Über zehn Jahre war der angehende Lehrer zu diesem Zeitpunkt bereits als Schiedsrichter unterwegs, doch die Trennung von seinem Teamkollegen im Sommer 2003 hatte die Ambitionen an der Pfeife zunächst gestoppt. „Wir hätten damals in die Regionalliga aufsteigen können, doch mein Partner hat sich zurückgezogen“, fasst Hofmann zusammen. „Und alleine kann man als Schiedsrichter nun einmal keine Karriere machen.“
Während sein ehemaliger Gespannpartner die Trainerlaufbahn einschlug, richtete Hofmann, der im Alter von 15 Jahren seinen Schiedsrichterschein gemacht hatte, seinen Fokus daher wieder auf die Spielerkarriere. Bis zur Bayernliga stand er für seinen Heimatverein TV 1862 Helmbrechts zwischen den Pfosten. „Das war eine super Zeit“, betont er. Mit dem Training und seinem Lehramtsstudium in Bayreuth war der Torhüter ausgelastet, das Pfeifen lief nebenbei mit.
Das änderte sich mit dem besagten Telefonanruf jedoch schlagartig. Am anderen Ende der Leitung: Thomas Hörath, sein heutiger Teamkollege. Die Schiedsrichter-Szene in Bayern war klein, Hörath und Hofmann kannten sich von gemeinsamen Lehrgängen – und als Hofmann nach dem Rückzug seines Partners auf den Aufstieg in den Kader des Süddeutschen Handballverbandes hatte verzichten müssen, rückten Hörath und sein damaliger Spannmann nach. Ihnen gelang wenig später auch der Schritt in den Nachwuchskader des Deutschen Handballbundes.
Doch ebenso wie bei Hofmann einige Jahre zuvor kam es auch zwischen Hörath und seinem Partner zum Bruch. „Da hat dann mein Telefon geklingelt und Thomas hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, dass wir es miteinander probieren“, erinnert sich Hofmann. „Es gab in Bayern einfach nicht so viele Verrückte, die lieber pfeifen als spielen wollten.“ Auch die Rahmenbedingungen stimmten: Beide waren der gleiche Jahrgang, beide kamen aus derselben Region – und beide waren bereit, dem Pfeifen Priorität einzuräumen.
Der Paradigmenwechsel vom Spieler zum Schiedsrichter fiel Hofmann leicht – und er weiß die Erfahrung zu schätzen, die er damals sammelte. „Ich halte es für sehr wichtig, dass jeder Schiedsrichter selbst gespielt hat, um ein Gefühl zu entwickeln, was Handball ist“, beschreibt er. „Es geht nicht nur um die Regeln, es geht um Emotionen.“
Dass es für die Kollegen an der Pfeife jedoch nicht immer leicht mit dem Torwart Hofmann war, gibt er sofort zu: „Ich war als Spieler – entschuldige den Ausdruck – ab und zu auch eine ganz schöne Drecksau“, hält er mit einem Schmunzeln fest. „Ich hätte mich ungern selbst gepfiffen.“ Dass er heute auf dem Spielfeld gerade zu den Torhütern einen guten Draht entwickeln kann, führt er auf seine eigene Erfahrung zurück: „Wenn ein Torhüter mir von der Seite etwas reinschreit, weiß ich das zu nehmen – und Torhüter haben tatsächlich oft einen guten Blick.“
Kaum, dass sich Hofmann und Hörath geeinigt hatten („Eigentlich war diese Entscheidung für uns beide alternativlos.“), starteten sie durch; es ging schnell aufwärts. Das Duo durfte gemeinsam in der Regionalliga beginnen und nur zwei Jahre später folgte der Aufstieg in den Bundesligakader des Deutschen Handballbundes. „Es hat sich von Anfang an gut angefühlt und sowohl menschlich als auch von der privaten Situation gepasst“, beschreibt Hofmann.
Reibungslos verlief die Zusammenarbeit allerdings nicht; Hofmann war deutlich emotionaler als sein neuer Teamkollege. „Ein Beobachter hat mal zu uns gesagt: Bei euch gibt es immer einen guten und einen bösen Polizisten“, erinnert sich Hofmann. „Ich habe damals alles gesehen und sämtliche emotionale Ausbrüche sofort sanktioniert, Thomas musste mit seiner Ruhe und seiner Erfahrung immer alles kitten. Das ging so aber irgendwann nicht mehr weiter, denn wir sind, um es mal drastisch auszudrücken, immer wieder auf die Schnauze geflogen.“
Nach einer Schlüsselszene, in der Hofmann vier Zeitstrafen unmittelbar nacheinander verteilt hatte („Das Video hat mich durch einige Lehrgänge begleitet.“), rauften sich die beiden zusammen. „Ich habe zu Thomas gesagt, dass ich nicht von 100 auf 0 schalten kann, sondern wir uns in der Mitte treffen müssen“, sagt Hofmann. „Ich musste lernen, mich zurücknehmen und er musste auch mal in Situationen durchgreifen, die er vorher toleriert hatte.“
So erarbeitete sich das Duo nach und nach eine gemeinsame Linie – mit Erfolg: Zur Saison 2013/14 stieg das Duo Hörath/Hofmann in den Elite-Anschlusskader des Deutschen Handballbundes auf und gab bereits im September bei der Partie MT Melsungen gegen TV Emsdetten sein Debüt in der 1. Männer-Bundesliga. „Von der Papierform war es ein unspektakuläres Spiel“, erinnert sich Hofmann, „aber wir sind mit einem Bauchkribbeln hingefahren.“
Parallel zu der aufstrebenden Karriere als Schiedsrichter etablierte sich Hofmann in seinem Beruf. Auf das Studium folgte nahtlos das Referendariat, seit 2008 ist der Lehrer für Sport und Deutsch verbeamtet. „Es klingt immer platt, aber dieser Job ist für mich eine Berufung“, sagt er. „Die Schülerinnen und Schüler kommen in der 5. Klasse als Kinder an diese Schule und verlassen sie nach der 10. Klasse als junge Erwachsene. Diese Entwicklung zu begleiten, macht den Job für mich aus.“ Heute unterrichtet Hofmann an einer Realschule in der Nähe von Würzburg, wo er mit seiner Freundin und der gemeinsamen Tochter lebt, und gehört zur erweiterten Schulleitung.
HBF – 20/21 – SG BBM Bietigheim vs. Bad Wildungen Vipers
Als Sohn eines Lehrers stand der Berufswunsch für Hofmann früh fest; zudem ergänzen sich Beruf und Hobby aus seiner Sicht perfekt. „Du musst sowohl als Schiedsrichter als auch als Lehrer Regeln vermitteln und Konsequenz an den Tag legen; du musst mit den falschen Entscheidungen, die du triffst, umgehen können und authentisch und berechenbar sein“, beschreibt er. „Eine Schulklasse weiß nach den ersten Stunden, wie du tickst und was sie sich bei dir erlauben kann – und genauso ist es auf dem Spielfeld.“
Dort erlebten Hofmann und Hörath in den Jahren nach ihrem Aufstieg in den Elite-Anschlusskader eine Achterbahnfahrt: Der Schritt nach oben, in den Elitekader, gelang Hörath und Hofmann nie. Stattdessen stiegen sie zweimal wieder in den Bundesligakader ab, kämpften sich aber auch zweimal wieder nach oben in den Anschlusskader. Nach der Saison 2020/21 folgte der dritte – und letzte – Abstieg; noch einmal dürfen sie gemäß der Regularien nicht aufsteigen. Den Traum vom Adler auf der Brust, den nur der Elitekader tragen darf, werden sich die beiden Franken daher nicht mehr erfüllen können.
„Natürlich waren wir bei jedem Abstieg sehr enttäuscht, aber wenn man es dreimal versucht hat und dreimal nicht geschafft hat, muss man auch akzeptieren, dass es für ganz oben nicht gereicht hat“, sagt Hofmann. „Es ist schade, dass wir den letzten Schritt nicht gegangen sind, aber ich denke, wir können trotzdem stolz darauf sein, was wir erreicht haben.“ Mit dem Begriff Stolz hat Hofmann lange gerungen, doch angesichts von rund 60 Erstliga-Einsätzen verwendet er ihn schließlich doch.
Insgesamt kommt Hofmann auf knapp 400 Spiele für den Deutschen Handballbund. Einige davon sind ihm besonders hängen geblieben – wie das Finale um die Deutsche Meisterschaft der weiblichen B-Jugend, das sie 2011 leiten durften. Oder der knappe Sieg des HBW Balingen-Weilstetten gegen den THW Kiel, in ihrem ersten Jahr in der 1. Bundesliga. „Da ging es richtig zur Sache; dass Kiel in Balingen verliert, war eigentlich undenkbar“, erinnert sich Hofmann. „am nächsten Tag haben unsere Telefone wie verrückt geklingelt.“ Neben dem Schiedsrichterwart Peter Rauchfuß („Er war eine Autoritätsperson; wenn seine Nummer auf dem Display auftauchte, hat man gezittert.“) meldeten sich auch Kollegen und gratulierten zu der Leistung.
Es bleiben jedoch nicht nur Spiele, sondern auch einzelne Anekdoten hängen: Nach einem Einsatz in Kiel, der allein schon aufgrund der imposanten Halle und den über 10.000 Zuschauern einen bleibenden Eindruck hinterließ, fuhren Hofmann und Hörath mit dem Nachtzug nach Hause – die Spielleitungsentschädigung, die damals noch bar ausgezahlt wurde, unter dem Kopfkissen. Oder die erste rote Karte seiner Karriere, die Hofmann als 16-Jähriger bei einem D-Jugend-Spiel zeigte – und zwar seinem eigenen Bruder. Auch bei ihrem Erstligadebüt griff Hofmann zur Disqualifikation, nachdem Philipp Müller von der MT Melsungen seinen Gegenspieler mit dem Ellbogen im Gesicht getroffen hatte: „Er war damit partout nicht einverstanden, aber ich habe zu ihm gesagt: Philipp, wenn das keine rote Karte war, höre ich auf.“
Das war nicht notwendig, sodass Hofmann und Hörath heute im Bundesligakader zu den Teams mit den meisten Einsätzen gehören. „Als Schiedsrichter spielt die Erfahrung eine große Rolle“, sagt Hofmann. „Unsere Chefin Jutta Ehrmann-Wolf weiß, dass sie uns überall hinschicken kann. Die Vereine kennen uns; sie wissen, was wir für Schwächen haben, aber auch, worauf sie sich bei uns verlassen können.“
Dass es am Ende nicht für den letzten Schritt in den Elitekader gereicht hat, hat Hofmann abgehakt. „Ich bin dankbar, dass wir bis heute in Ligen dabei sein dürfen, die wir als Spieler nie erreicht hätten“, betont er. „Und ebenso dankbar bin ich für die persönliche Entwicklung, die wir durch das Pfeifen genommen haben. Die Rückschläge waren immer hart, aber sie haben uns auch unheimlich geholfen, uns weiterzuentwickeln – und aktuell pfeifen wir eine unsere besten Saisons.“
Das Ziel ist daher klar: Hofmann und Hörath wollen im Ranking des Bundesligakaders erneut an der Spitze stehen. „Dass wir nicht aufsteigen können, heißt nicht, dass wir unsere Karriere jetzt entspannt ausklingen lassen“, unterstreicht Hofmann. „Wir wollen unser Ding durchziehen und das beste Gespann im Kader sein.“
Steckbrief Timo Hofmann
Alter: 41
Beruf: Lehrer
Familienstand: vergeben, eine Tochter
Schiedsrichter seit: 1996
Gespannpartner: Thomas Hörath
Kader: Bundesligakader
Karriere-Highlight: Endspiel um die Deutsche B-Jugend-Meisterschaft, die Aufstiege in den Elite-Anschlusskader
Ein Traum, der in der Schiedsrichterkarriere (noch) offen ist: Am Ende der Saison auf der Top-Position im Bundesligakader stehen
Fotocredit: Marco Wolf, privat